NASL: Der erste Eindruck zählt

Es war ein wenig wie Weihnachten. Wochenlange spannungsvolle Erwartung, kulminierend in diesem einen Abend, an dem der klimaktische Aufbau endlich seinen Höhepunkt erreicht. Der kurze, heiß ersehnte Moment, in dem man endlich das Geschenkpapier aufreißt und dann die einsetzende Erkenntnis, dass Vorfreude doch die schönste Freude ist.

Ernüchterung? Ein bisschen, aber bevor man meine Einleitung fehlinterpretiert, muss man sich ein wenig differenzierter mit den Ereignissen beschäftigen, deren schon lange vorausgeworfene Schatten eine surreale Größe erreichten. Also: Quo vadis, NASL?

Hype, Hype, Hype

Was sind die Voraussetzungen für Enttäuschung? Sicherlich ist eine wichtige Komponente, dass das betrachtete Objekt tatsächlich keine zufriedenstellende Qualität hat. Die andere Kondition ist allerdings auch nicht zu vernachlässigen. Viele Dinge, die einem im Leben begegnen, sind schlecht.

Aber trotzdem sind wir nicht jedes mal enttäuscht. Wie wir auf etwas reagieren, hängt von unserer Erwartungshaltung ab. Erwarten wir etwas mieses, werden wir auch nicht enttäuscht, wenn es tatsächlich eintritt. Es erfüllt schlicht unsere Erwartungen. Erwarten wir Perfektion, müssen wir wohl fast immer mit Dissatisfaktion rechnen.
Und wenn die Verantwortlichen der NASL in einer Sache besonders punkten konnten, dann war es definitv der Aufbau von Hype. Was wurde nicht alles im Voraus schon gesagt. Etwas „nie dagewesenes“ würde seinen göttlichen Abglanz nach all den eSport-Jahren in Dunkelheit endlich auf unsere unwürdigen Häupter werfen.

Ankündigungen von Ankündigungen wurden instrumentalisiert, die ohnehin schon kochende Spannung noch weiter aufzuheizen. Mit welcher Geheimniskrämerei und Mystik schon kleine Ankündigungen bekannt gegeben wurden, wie schon die Spieler nur nach und nach in kleinen Häppchen konfirmiert wurden, das alles erinnerte an Apple-ähnliche Geschäftstaktiken und es schien gar unmöglich, sich all den einprasselnden Lobgesängen nicht zu hingeben. Die gesamte Community wurde polarisiert auf dieses Event.

Beinahe schon gleichgeschaltet. Kritische Stimmen, die zu Recht schon vorher offensichtliche Schwächen und mögliche Fehlentscheidungen anmerkten wollte man nicht wahrhaben. Denn egal wie es ist, eine Sache war sicher: Wird die NASL scheitern, dann wird es in sehr langer Zeit nie wieder etwas so großes geben. Vielleicht nie wieder. Das Investment ist zu groß, die Chance zu einmalig. Wir stehen am Scheitelpunkt der Geschichte, in dem sich die Zukunft des eSports entscheiden könnte. Und wer sich tatsächlich vom Hype abschirmen konnte, der musste doch wenigstens deshalb um dieses Event bangen.

Schließlich war es soweit. Der Weihnachtsabend war gekommen. Die Präsente lagen auf dem Tisch. Und nun durften wir endlich unter der entblätterten Verpackung bewundern, was sich tatsächlich hinter all dem Hype verbarg.

Die Revolution im eSport?

Bin ich enttäuscht? Auf keinen Fall. Als Realist musste man damit rechnen, dass es nicht perfekt sein würde. Dass es technische Schwierigkeiten geben würde. Dass sich alles erst noch finden müsste. Anderen Ligen und Turnieren ging es bei ihrem Debüt nicht anders. Was sich präsentierte, ist einfach nur eine Liga für Starcraft. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Zur Enttäuschung einiger Zuschauer gibt es keinen „Live“Stream im eigentlichen Sinne. Die Matches werden vorher live während des Spiels gecastet, aufgezeichnet und schließlich nach ein wenig Editing jeden Tag gestreamed. Ich kann verstehen, dass viele Leute das gerne anders gehabt hätten. Live-Atmosphäre ist halt packender, man hat das Gefühl, an etwas wichtigem teilzuhaben. Man hat das Gefühl, dabei zu sein, wenn Geschichte geschrieben wird. Aber worum geht es denn? Es geht um Starcraft. Und auch ein Tag alte Matches verlieren nichts von ihrem Zauber und von ihrem Entertainment-Value. Und weiß Gott, den haben sie.

Egal, wie stümperhaft manche die Aufmachung und den Job der Caster fanden, die Matches werden dadurch nicht madig. Mit einem so kompakten Kader an Weltklasse-Spielern musste diese Liga einfach gut werden.

Die Präsentation war sicherlich noch ein wenig ausbaufähig. Gretorp und iNcontroL sind nicht als die besten Caster bekannt, konnten sich aber schon im Verlauf des ersten Tages steigern. An Tag 2, an dem Gretorp mit wechselnden anderen Kommentatoren castete, war die Qualität sogar schon richtig gut. In dem Punkt sollte man der NASL vielleicht einfach noch ein wenig Zeit gewähren. Schließlich muss jeder bei etwas anfangen, das er polieren und schleifen kann.
Technische Probleme traten auf.

Die Soundqualität ist atemberaubend schlecht, der Stream lief teilweise unrund und Tag 2 musste sogar um eine Stunde nach hinten verschoben werden. Die VODs sind noch recht verwirrend und ungeordnet hochgeladen und teilweise muss man diese auch vorbuffern lassen. Aber es macht nichts kaputt. Ich war überrascht, dass es am ersten Tag eines Events SOLCHEN AUSMAßES so glatt lief. Davon könnte sich die MLG ruhig eine Scheibe abschneiden.

Fazit

Perfekt ist es nicht. Aber es macht Spaß. Die Matches sind gut und so wie sich die Qualität schon in einem Tag verbesserte, mache ich mir keine Sorgen um die Zukunft. Es wird konstant gearbeitet und schließlich haben die Verantwortlichen erst jetzt die Chance, ein breites Feedback von der Community zu erhalten. Wem die Live-Atmospäre fehlt, der ist mit der GSL vielleicht besser beraten. Der Production-Value kommt noch lange nicht an diese heran. Das Studio ist dunkel und leer.

Es gibt kaum Musik und es herrscht noch teilweise ein Gefühl von angespannter Nervosität. Aber das ist normal. Geht es so weiter, dann gibt es sehr positive Aussichten auf Erfolg. Im Sinne des eSports müssen wir hoffen, dass auch die breite Masse der Community es so akzeptiert und unterstützt. Entpuppt sich das ganze als Flop, dann ist der eSport tot. Und wir hätten ihn umgebracht.

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